Alternative Antriebe
Wem gehört die Zukunft des LKW?
Die Anzahl der Veröffentlichungen über die Zukunft des LKW und seiner möglichen Motoren- und Antriebsvarianten in Fachzeitschriften, Internet etc. ist kaum noch zu überschauen. Dabei schaffen immer neue Meldungen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft über den anstehenden Klimawandel und wer wieviel CO2 emittiert, zunehmend Unruhe, die auch an unserer Branche nicht spurlos vorbeizieht.
Manchmal möchte man einfach abschalten, weil man gewisse Dinge nicht mehr hören kann. Dennoch müssen wir uns damit beschäftigen. Und dies nicht nur, weil die Zukunft unserer Kinder davon abhängt, sondern auch weil das Geschäftsmodell der Entsorgungswirtschaft und aller Sonderfahrzeughersteller maßgeblich an Fahrgestellen und deren Motoren sowie Antrieben hängt.
In allen Diskussionen, die die Fachwelt derzeit führt, werden vor allem zwei elektrischen Antrieben die Ablösung des Dieselmotors zugetraut: dem Batterie- und dem Wasserstoff-Antrieb. Die weltweit führenden Nutzfahrzeughersteller rechnen mit einer Transformation Europas hin zur Elektro- und Wasserstoffwirtschaft, weswegen gerade auch die Frage nach dem Antrieb eines Kanalfahrzeuges für unsere Branche eine der wichtigsten Fragestellungen ist.
Der Anteil des Verkehrs- und Transportsektors an den CO2-Emmissionen ist immens. Alleine in der EU beträgt der Anteil ca. 25% an den Gesamt-CO2-Emmissionen. Davon beträgt der Anteil der Nutzfahrzeuge zwischen 25 und 30%, Tendenz immer noch steigend. Daher ist nach derzeitigen politischen Beschlüssen davon auszugehen, dass der Diesel-LKW nach mehr als einem Jahrhundert Dominanz aus unserem Straßenbild und am Kanal verschwinden wird.
In allen Diskussionen, die die Fachwelt derzeit führt, werden vor allem zwei elektrischen Antrieben die Ablösung des Dieselmotors zugetraut: dem Batterie- und dem Wasserstoff-Antrieb. Die weltweit führenden Nutzfahrzeughersteller rechnen mit einer Transformation Europas hin zur Elektro- und Wasserstoffwirtschaft, weswegen gerade auch die Frage nach dem Antrieb eines Kanalfahrzeuges für unsere Branche eine der wichtigsten Fragestellungen ist
Die Wirkungsgrade der verschiedenen Antriebssysteme variieren teilweise deutlich. VW formuliert das sehr anschaulich sinngemäß wie folgt: Ein Golf Diesel verbraucht sechs Liter auf 100 Kilometern. Dies entspricht einem Energieverbrauch von 60 Kilowattstunden. Damit kommt man mit einem E-Golf 400 Kilometer weit. Das zeigt, dass mit dem Verbrenner und dem elektrischen Antrieb grundsätzlich zwei vollkommen unterschiedliche Antriebssysteme zur Verfügung stehen, von denen eines die drei- bis vierfache Energie verbraucht. Vor diesem Hintergrund macht ein elektrischer Antrieb daher ganz klar Sinn.
Allerdings verfügen wir beim guten alten Verbrenner über einen Kraftstofftank, der uns das Fahren über eine längere Strecke sowie das störungsfreie Arbeiten mit der selbstfahrenden Arbeitsmaschine „Kanalfahrzeug“ ermöglicht. Beim elektrischen Antrieb jedoch bleibt die Frage nach dem Energiespeicher offen und wird weite hin intensiv diskutiert.
Experten halten die Batterie nach heutigem Stand für die technisch ausgereifteste Lösung. Insbesondere bei den wichtigen Herausforderungen bezüglich Reichweite und Ladezeit wurden in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Reale Reichweiten von bis zu 500 Kilometern und mehr und Ladezeiten von 20 bis 30 Minuten für 80 Prozent Batteriekapazität unter Verwendung von Superchargern sind möglich. Unbeantwortet im Bereich von Sondernutzfahrzeugen bleiben aufgrund kaum vorliegender Erfahrungen Fragen nach wiederholtem Abruf von Maximalleistung, Thermomanagement, Gewicht, Verfügbarkeit von Platz am Aufbau etc. Für jede selbstfahrende Arbeitsmaschine sind das enorm wichtige Kriterien.
Trotzdem müssen das beim Elektroantrieb langfristig nicht unbedingt K.-o.-Kriterien sein. Jedoch wird es sicher noch einige Jahre dauern, bis sich Fahrgestellhersteller auch mit derartigen Fragen von Nischenbranchen wie der Kommunalbranche beschäftigen werden.
Die größte momentan identifizierbare Herausforderung wird neben der Unklarheit über Kosten, wirtschaftlichen Betrieb und den Anwendungsmöglichkeiten zukünftiger Fahrzeuge besonders die nicht ausreichende Infrastruktur sein. Und dies sowohl am überörtlichen Straßennetz, insbesondere den Autobahnen, als auch im städtischen Bereich. Wenn man bedenkt, dass es in den großen Städten vielfach extrem schwierig ist,überhaupt einen Parkplatz zu finden, stellt sich die Frage, wie eine funktionierende Ladeinfrastruktur aussehen kann und wie oft Anwendern beim Betrieb von Kanalfahrzeugen eine Arbeitsunterbrechung zwecks Ladung zugemutet werden wird. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie dieLadeinfrastruktur finanziert werden soll.
Eine technisch interessante Alternative zur Batterie als Speicher ist die „On-board“-Erzeugung von Strom aus Wasserstoff mittels Brennstoffzelle.CO2-neutral wird diese Variante, wenn aus regenerativem Strom mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugt wird.
Experten stellen hier allerdings einen Effizienzverlust von Faktor zwei fest. Der Systemwirkungsgrad eines Brennstoffzellenantriebes liegt heutebei unter 40 Prozent. Große Hemmnisse stellen neben der Frage nach der Robustheit der Brennstoffzelle auch die noch enorm hohen Produktionskosten dar, die eine serientaugliche Einführung solcher Systeme bei speziellen Nutzfahrzeugen enorm erschweren. Darüber hinaus werden an Aufbauten von Kommunalfahrzeugen noch technische Anpassungen erfolgen müssen, für die bisher kaum bezifferbare Erfahrungen vorliegen. Hier wird sicher mit enormen Kostensteigerungen zu rechnen sein.
Ein zur Zeit am Markt erhältliches, wasserstoffbetriebenes Müllfahrzeug aus Deutschland wird im Moment zum vierfachen Preis eines vergleichbaren, konventionellen Müllfahrzeuges des gleichen Herstellers angeboten. Es dürfte somit klar sein, dass jeder Entsorger das Wort „Wirtschaftlichkeit eines Entsorgungsfahrzeuges“ ganz neu definieren muss.
Es scheint jedenfalls absehbar zu sein, dass deutliche Preissteigerungen bei herkömmlichen Entsorgungsdienstleistungen die Folge sein werden. Die größte Hürde dürfte allerdings sein, dass für den Einsatz von speziellen Nutzfahrzeugen mittels Wasserstoff eine komplett neue Infrastrukturaufgebaut werden muss.
In Deutschland gibt es aktuell noch ca. 14.000 konventionelle Tankstellen und derzeit rund 60 öffentlich zugängliche H2-Tankstellen. Die Kosten für den Bau einer Wasserstofftankstelle hängen sehr stark von der Kapazität ab und gehen pro Tankstelle in die Millionen.
Einige namhafte Hersteller geben im LKW-Verkehr und gerade auch im Transport Langstreckenverkehr neben dem E-LKW und dem Wasserstoff-LKW noch einer weiteren Möglichkeit eine Chance. Bei dieser sogenannten dritten Variante, den synthetischen Kraftstoffen, ist der Energieaufwand zur Herstellung zwar relativ hoch. Allerdings leisten auch synthetische Kraftstoffe einen guten Beitrag zum Klimaschutz, da sie nahezu emissionsfrei sind.
Der Bestandsfuhrpark beläuft sich auf weltweit drei Millionen Nutzfahrzeuge. Sie werden nicht bis 2030/2040 verschwunden sein. Synthetische Kraftstoffe können hier der Schlüssel sein, um die Bestandsfahrzeuge nachhaltig zu betreiben. Die obigen Ausführungen machen deutlich, dass die Bewältigung der Antriebswende für unsere Branche eine sehr große Herausforderung werden wird. Allerdings führt uns Corona und auch die daraus resultierenden Folgen für die Lieferketten gerade überaus deutlich vor, dass die Antriebswende nicht die Einzige sein wird, weswegen wir für Technologieoffenheit werben.
Was sich durchsetzt, wird der Markt entscheiden, nicht die Politik. Doch kein alternativer Antrieb kommt ohne eine entsprechende Tank- und Ladeinfrastruktur aus. Deutschland muss hier erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die Netze auszubauen. Niemand in der weltweit viel beachteten, deutschen Entsorgungswirtschaft möchte, dass sich Negativbeispiele wie z.B. der Berliner Flughafen BER flächendeckend in Deutschlandwiederholen und etablierte, funktionierende und vor allem Steuern zahlende Wirtschaftsbereiche gefährdet oder sogar in ihrer Existenz bedroht werden.
Download: ► PDF-Download Artikel (aus der proKanal 2021 von Dr. Volkwin Müller)